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Winterfahrt in Norwegen mit Wehrmachtsgespannen                              H-P Hommes

 

Die schweren Gespanne von BMW und Zündapp waren speziell dafür konstruiert, in schwierigem Gelände und bei großer Kälte zuverlässig ihren Dienst verrichten.

Mit ihren 26 PS aus 750 ccm bieten sie zwar kein Überangebot an Motorkraft, doch sind sie durch vier Straßen-, zwei Gelände- und einen Rückwärtsgang sowie eine zuschaltbare Hinter­rad­sperre zu eindrucksvollen Leistungen in der Lage.

Um den uns bereits bekannten Fahrspaß um eine Variante zu erweitern, planten wir, im Winter eine Fahrt nach Norwegen zu wagen. Dabei wollten wir auch die Erfahrung machen, wie weit die Kälte uns und unsere Wehrmachtsgespanne fordern würde.

Mit vier Wehrmachtsgespannen und einem Volvo-Geländewagen, der auch schon 35 Jahre auf dem Buckel hatte, trafen wir uns in Kiel, um von hier mit der Fähre nach Oslo überzusetzen.

Von Oslo aus, wo wir auf den ersten Schnee und vereiste Straßen trafen, ging es in Richtung  Gol, unser erstes Etappenziel 190 km nordwestlich von Oslo. Hier hatten wir auf einem Campingplatz eine komfortable Hütte gebucht.

 Auf den vereisten Straßen waren wir den norwegischen Fahrzeugen weit unterlegen, da diese alle Winterreifen mit Spikes fuhren.

Es war ganz schön nervend, wenn der Rückspiegel von einem Scania-Lkw voll ausgefüllt wurde und man wußte, daß da 30 Tonnen mit wenig Abstand folgten. Konnte er dann endlich überholen, zog er mit einem Meter Abstand vorbei, während man mit dem Gespann in einem von ihm aufgewirbelten Schneegestöber fast ohne Sicht zwischen Lkw und Straßenrand einhereierte.


Nachdem wir das mehrfach erlebt hatten, reichte es uns und wir fuhren freiwillig in eine Ausweichbucht, um die Lastwagen vorbeiziehen zu lassen.

 


Den schnellen, durch die Kurven rutschenden Bergfahrten folgten vorsichtige Talfahrten, die zu Anfang häufig von Drehern und Notbremsungen in Schneebergen begleitet waren. Udo setzte sein Krad so ungünstig in eine verharschte Schneewehe, daß er nicht absteigen konnte, weil sein Fuß eingeklemmt war. Erst mit Hilfe des Volvo und seiner Motorwinde bekamen wir Krad und Fahrer wieder zurück auf die Straße. Solche Ausrutscher blieben jedoch stets ohne Folgen für Fahrer und Gespann.

Nach kurzer Zeit und entsprechender Übung beherrschten wir das Fahren auf Eis und Schnee, ohne weiterhin die Schneewehen als Notbremse zu benötigen. Alles in allem waren die ersten beiden Tage ein Herantasten an die winterlichen Verhältnisse. Wie ist zu starten bei Minus 25° C? Wie schützen wir uns aus­reichend vor der Kälte? Wie verhält sich das Gespann auf vereisten Flächen? (Es verhält sich überhaupt nicht, es rutscht).

Das morgendliche Erwachen war für unsere Kräder erstaunlicherweise kein Problem. Bei minus 25° C einen Motor zu überreden, doch anzuspringen, funktioniert nur, wenn am Motor alles optimal abgestimmt ist. Starthilfe rein, Zündung aus, mehrmals durchtreten, Zündung an und kräftig den Starterhebel treten. Dann muß er laufen.

Tadeusz hatte sein Gespann am Abend abgestellt, als die Bremsen wohl von der langen vorangegangenen Talfahrt noch etwas warm waren. So wurde Schnee angetaut und drang in die Bremstrommel als Wasser ein. Nach den nächtlichen hohen Minustemparaturen sprang der Motor zwar an, aber es ließ sich kein Rad mehr drehen. Total festgefroren. Auf der glatten Schneefläche konnten die Reifen auch nicht fassen, um die Bremse freizubekommen. Wieder half uns unser alter Volvo. Mit stehenden Rädern zog er die Zündapp mehrere km wie einen Schlitten bis zur nächsten freien Fläche hinter sich her, wo die Reifen griffen und die eingefrorenen Bremsen sich lösten.

Den von Schneefräsen gezogenen Spuren folgten wir über das Hardanger Vida, ein ödes Hochland mit Schnee ohne Ende. Wir hatten Glück, das Wetter war schön und sonnig und wir mußten uns an der Kontrollstelle keinem Konvoi mit Schneepflug anschließen, der die Fahr-zeuge bei Schneefall durch das Hochland bringt. Die trockene Kälte von -15 bis -30° C empfanden wir als angenehmer als die nasse Kälte um den Gefrierpunkt bei uns in Deutschland.

Aber nach 60 km Fahrt im Hochland kriecht die Kälte auch durch den dicksten Thermoanzug.

Aus der Erfahrung vorangegangener Fahrten wußte ich, daß es ein großer Fehler ist, für kurze Zeit ein Gasthaus aufzusuchen, um sich aufzuwärmen. Durch die dicke Kleidung gerät man leicht ins Schwitzen. Verschwitzt wieder in die extreme Kälte hinauszugehen ist äußerst unangenehm und führt leicht zu einer starken Erkältung. Wir zogen es deshalb vor, uns im Freien ein Süppchen zu kochen.

 

Niedrigste Temperaturen  ertragen zu können ist nur eine Frage von guter Kleidung.

Thermoboy, Fausthandschuhe, Moonboots (klobig aber gut) und eine wollene Kopfhaube mit auswechselbarem Mundschutz sind der beste Kälteschutz. Brillenträger haben immerzu mit beschlagener Brille und somit eingeschränkter Sicht zu kämpfen. Ich habe mir zwischen die Doppelverglasung einer Skibrille Brillengläser geklebt. Meinen Integralhelm fahre ich ohne  Visier und setze dort die präparierte Skibrille ein. Das ist für mich als Brillenträger nach vielen Versuchen die beste Möglichkeit, im Winter bei großer Kälte Motorrad zu fahren.

 


 Schwierigkeiten, an die man vorher überhaupt nicht denkt, bringen die Tunnel mit sich. Diese gibt es in Norwegen in den verschiedensten Formen. Sie schlängeln sich manchmal wie eine Wendeltreppe durch den Berg, sind zwischen wenigen Metern und bis zu 10 km lang und mal mit mal ohne Licht. Letzteres ist fürchterlich zu fahren. Bei der Einfahrt an einem Fjord liegt die Temperatur bei -5° C, bei der Ausfahrt nach 5 km sind es -18° C. Dazwischen liegt der Tunnel mit seinen naßkalten 0° C. Geblendet durch das grelle Weiß des Schnees geht es in den dunklen warmen Tunnel. Die feuchte Tunnelluft schlägt sich auf der Brille nieder und schränkt die Sicht stark ein. Bei der Ausfahrt ist die Kleidung feucht und die Brille beschlagen. Die Temperatur sinkt auf nur 100 m um 10 bis 20° C, was alles Feuchte direkt gefrieren läßt. Mehrere Tunnel hintereinander schlauchen ganz schön.

Aber das wollten wir ja  -  eine Abenteuerreise im Winter.


Am Hardanger-Fjord, der sich bis zu 180 km in die Berge hineinzieht, setzten wir mehrmals mit kleinen Fähren über den Fjord, um in Richtung Telemark und Röldal weiterzufahren. Häufig konnten die von uns ausgewählten Strecken nicht befahren werden, da diese wegen Schneeverwehungen gesperrt waren. Die meisten Straßen und Wege waren jedoch befahrbar. Viele der Wege waren einspurig und auf beiden Seiten türmte sich der Schnee hoch auf, sodaß man das Gefühl hatte, mit dem Gespann in einem Eiskanal zu fahren.

Die Norweger haben einen langen Winter und verstehen mit Schnee und Kälte umzugehen. Im Nachhinein betrachtet, waren die Strapazen für uns Fahrer wesentlich größer als für unsere Gespanne. Kleine Unachtsamkeiten führen schnell zu Erfrierungen. Uwe hatte seine Brille mit Stahlgestell ungeschickt aufgesetzt, sodaß der Stahl an seiner Haut anlag. Dies führte zu Erfrierungen und er lief noch Wochen mit roten Rändern unter den Augen herum. Bis auf einige festgefrorene Seilzüge (falsches Öl) und verrußte Zündkerzen liefen unsere Wehrmachtsgespanne problemlos. Wolfgang und ich unternahmen bereits fünfmal mit wechselnden Mitfahrern eine Winterreise nach Norwegen.

Jedes mal sagten wir:

Das war das letzte Mal, daß wir in die Kälte fahren!  Aber dann fahren wir doch wieder.

Vielleicht ist es die Suche nach den letzten Abenteuern. Mit den Wehrmachtsgespannen solche Reisen zu unternehmen, ermöglicht es uns, aus dem Alltag ein Stück auszubrechen.

 

 

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