Durch Island mit drei Zündapp KS 750 H-P Hommes Datenschutzerklärung
Seit Jahren planten wir eine Reise auf die urwüchsige
vulkanische Insel im Norden Europas. Alle Reiseberichte wurden gesammelt und
ausgewertet. Dabei wurde immer klarer, dass man Island mit normalen Fahrzeugen
nicht bereisen sollte, es sei denn, um nur an der Küste entlang über die
Ringstrasse zu fahren. Wir aber planten, nicht mit normalen Fahrzeugen zu reisen, sondern mit besonderen - mit 3 Zündapp KS 750.
Bereits am frühen Morgen treffen die ersten Geländefahrzeuge mit Benzinkanister,
Sandblechen und Seilwinden ausgerüstet in dem bis dahin verschlafenen Fährhafen
im Norden Dänemarks ein. Von hier besteht die einzige Fährverbindung, um mit
eigenem Fahrzeug nach Island über zu setzen.
Bis zum Nachmittag wächst die kleine internationale Gruppe von Motorradfahrern
auf 16 an, einschließlich unserer 3 schweren Wehrmachtsgespanne. Die Zündapp KS
750 sehen zwischen den Enduro und Crossmotorrädern aus, als würden wir mit ihnen
ohne Vorbereitung die Abenteuerreise nach Island antreten. Überzeugt davon, dass
unsere Gespanne im Originalzustand bereits für die zu erwartenden Strapazen
gebaut waren, haben wir außer einem Seil und einem Feldspaten keine zusätzliche
Ausrüstung für nötig befunden.
Die sonst so wendigen Enduromaschinen sind von ihren
Besitzern mit Gepäckträgern und Zusatztanks zu schwerfälligen Lasteseln umgebaut
worden und zumeist auch noch mit zwei Personen besetzt. Wir hingegen, Tadeusz
aus Lodz sowie Guido und ich aus Viersen, haben unsere Ausrüstung einschließlich
Verpflegung und Ausrüstung für fünf Wochen bequem in Seitenwagen und Packtasche
verstaut.
Das Fährschiff, die MS Norröan, erreicht am dritten Tag die Färöer-Insel, wo wir
zwei Tage Zwangsaufenthalt dazu nutzen, die kleine Inselgruppe mit ihren
schroffen Tälern und idyllischen Fischerdörfern kennen zu lernen. Im Norden
liegt ein altes Örtchen mit einer sehr schönen Jugendherberge und
Zeltmöglichkeit direkt am Meer. Das Fährschiff kommt aus Bergen in Norwegen, wo
es ebenfalls noch Islandreisende aufgenommen hat, erneut zu den Färöer-Inseln
zurück, und nach weiteren 36 Stunden auf See erblicken wir nebelverhangenes
Land: Island.
Island bedeutet Eisland, benannt nach den großen Gletschern,
die ca. 13% der Insel bedecken.
Die Frage des Zollbeamten, ob Diesel- oder Benzinmotor wird von und etwas
gekränkt mit Benzin beantwortet. Wir bekommen einen Aufkleber mit Stempel und
Datum auf unseren Seitenwagen gepappt und die Ermahnung mit auf den Weg, nur die
Straßen zu benutzen und nicht quer durch das Gelände zu kurven.
Heute fragen wir uns, was er mit Straße gemeint haben könnte. Wir können uns nur
an Gelände erinnern.
Diesel oder Benzin, diese Frage wird jedem Fahrer gestellt, denn Dieselfahrzeuge
müssen bei der Einreise bereits eine Steuer bezahlen, die nach der Zeit des
Aufenthaltes im voraus zu zahlen ist. Dafür ist Diesel preiswerter als Benzin.
Von Fährhafen Seydisfjördur führ eine asphaltierte Straße hinaus. Zum Abschied
freundlich winkend überholen uns die Motorradkumpel, mit den wir auf der Fähre
Freundschaft geschlossen hatten, mit ihren schnelleren Maschinen. Doch beim
ersten Pass wird die Straße eine Piste aus grobem Kies, die mit Schlaglöchern
und Felsbrocken übersät ist. Ein Schild weist 18% Steigung aus, als wir unsere
Sportsfreunde wieder einholen. Einige hatte es aus dem Sattel gerissen, da ihre
Maschinen durch die zu schwere Beladung die Lenkfähigkeiten verloren und
aufgrund des ungünstigen Schwerpunktes bereits bei dieser Steigung das
Vorderrad abhob. Wir trafen sie noch mehrmals. Zuerst die Soziusfahrerinnen, die
den Pass erwanderten und oben auf der Höhe die Fahrer mit ihren Maschinen. Nach
30 km erreichten wir die Ringstraße 1. Diese Islandautobahn schlängelt sich an
der Küste entlang, rund um die Insel. Von ihren 1220 km sind nicht mehr als 200
km aus Asphalt, der Rest ist mit Öl, Kies und losem Sand befestigt. An der
Ringstraße stellt sich auch die Frage: Zuerst in den milderen und regenärmeren
Norden? Wir entscheiden uns für die Südroute durch das raue und windige Hochland
zum Vatnajökull.
Was wir zuerst nicht bemerken, ist das völlige Fehlen von Bäumen und Sträuchern,
da die Berge mit Moosen und Flechten in den verschiedensten Farben bewachsen
sind. Der starke Wind lässt auch gegen Abend nicht nach und wir sind froh, als
im Windschatten einiger Felsen direkt am Strand unsere Zelte stehen. Das
windfeste Igluzelt und einige Schlafsäcke lernen wir auch hier zu schätzen, denn
sie sind die wichtigsten Bestandteile einer guten Ausrüstung für Island. Auch
bei schönsten Wetter darf man das Zelt nie an ungünstiger Stelle oder ohne
ausreichende Abspannung gegen den Wind aufbauen. Das Wetter ändert sich manchmal
in Minutenschnelle. Bei einer Tasse Tee blicken wir zurück auf unseren ersten
Tag. Bei trockenem, durch den Wind jedoch recht kühlem Wetter, haben wir 250 km
auf der holprigen Ringstraße zurück gelegt. Der Benzinverbrauch liegt bei 5,8
l./100 km und der Ölverbrauch ist minimal. Die Motorräder laufen gut und wir
sind zufrieden.
Das Fischerstädtchen Höfn, im Südosten Islands, ist typisch für viele Orte hier.
Eine nüchterne, moderne Wohnsiedlung, der Ortskern besteht aus Kirche, Post und
Supermarkt mit Tankstelle. Alles erinnert an eine amerikanische Kleinstadt. Mit
jedem Tag, den wir fahren, gewinnen wir mehr Vertrauen zu unseren Zündapps. Auf
den harten Waschbrettpisten können wir wider Erwarten 60 km/h fahren. Diese
Pisten bedürfen immer einer gewissen Geschwindigkeit, denn fahren wir langsamer
oder schneller, werden wir wesentlich mehr durchgeschüttelt.
Unser Tagesziel - den großen Gletscher - ständig im Blick, jagen wir unsere
Zündapp KS 750 die letzten 20 km durch losen Sand, der in tiefen Fahrspuren nur
mit Schwung zu schaffen ist und mit steinigen Geländestrecken abwechselt.
Vielleicht weil es so schön ist, eine Honda Tenere anzuhängen, deren Fahrer sich
schwer beladen durch den Sand quält oder nur aus Übermut, weil es Spaß macht, in
voller Fahrt über die Piste zu springen und zu driften. Am Ende der Strecke
halte ich meinen abvibrierten Rückspiegel in der Hand. Guido meint nur trocken:
"Der musste ab, originale Zündapps hatten auch keinen." Der abgebrochene
Kugelkopf an Tadeusz Motorbolzen lässt uns dann aber doch erkennen, dass
es für das alte Material eine Grenze gibt.
Dieser Schaden bringt uns einen kleinen Einblick in Islands Landwirtschaft, denn
wir fahren zu einem Gehöft, wo der Bolzen geschweißt wird. Nebenbei erfahren
wir, dass der Farmer im Nebengebäude 80 Füchse mit Fischabfällen füttert, die er
wegen des Pelzes hält. Seine im Sommer frei laufenden Schafe werden im Herbst
zusammen getrieben, die Lämmer bis auf 200 Muttertiere geschlachtet. Er hat
nämlich nur für diese Anzahl Tiere genügend Heu, um sie über den Winter zu
bringen. Im Nationalpark Skaftafjell, zu dem dem ein Teil des Vatnajokull, des
größten Gletschergebietes der Welt, gehört, befindet sich ein schöner
Zeltplatz mit Supermarkt und Tankstelle. Mit Benzin haben wir, außer im
Hochland, keine Schwierigkeiten. Oft steht auf einer einsamen Strecke eine
einsame Zapfsäule, wo nach Drücken des Klingeknopfes der Tankwart erscheint und
uns bedient.
Vom Gletscher weiter über die Ringstrasse fahren wir über die monotone
Sander. Die Sander bestehen aus schwarzem Sand und Kies, die sich bei der
Schneeschmelze im Frühjahr ablagern und bis zu 20 km ins Meer reichen.
Bis 1974 konnten die Sander mit den sich häufig verlagernden reißenden
Gletscherabflüssen nur mit Pferden überwunden werden. Dann wurde die Ringstrasse
durch mehrere einspurige Brücken von West nach Ost geschlossen und eine wichtige
Verbindung mit großem Aufwand geschaffen. Ein Teil der Brücken wurde 1996,
nach einem Vulkanausbruch unter dem Gletschereis weggeschwemmt. Sie wurden
danach wieder hergestellt.
Nach den Sandern wechselt die Landschaft abrupt in ein bizarres grün bemoostes
Lavagebiet. Hier biegen wir bei dem kleinen Ort mit dem unaussprechlichen Namen Kirjubaejarklaustur nach Norden ins Hochland ab.
Die Hochlandstrecken sind bis zum späten Frühjahr gesperrt. Nach der
Schneeschmelze fahren zuerst Baumaschinen die Strecke ab und schieben diese in
einen für Geländefahrzeuge passierbaren Zustand. Geröllbedeckte, sandige und bei
Regen schlammige Wege führen mit bis zu 30% Steigung von Süden nach Norden. Dir
Furten der Flüsse und Bäche, alles ohne Brücken, dürfen nicht ohne vorherige
Kontrolle durchfahren werden. Wir haben zu diesem Zweck hüfthohe Anglerstiefel
dabei. Vor jeder Durchfahrt suchen wir die flachsten Stellen in der Furt. Es
ist nie der direkte Weg, denn diese haben bereits die schweren Gelände-LKWs so
stark ausgefahren, dass er für uns zu tief ist. Unsere kritische Wassertiefe
liegt bei 50 cm. Das hört sich nach wenig an, aber unsere Zündapps sind bis
Oberkante Tankdeckel auch nur 95 cm hoch und der Wirbelluftfilter ist der
gefährdete Teil. Da sich angesaugtes Wasser bekanntlich nicht verdichten lässt,
genügt ein kräftiger Schluck, um den Motor zu zerstören. So kurven wir oft von
Sandbank zu Sandbank durch die bis zu 150 m breiten Flüsse. Tadeusz erwischt in
einer kleinen harmlosen Furt ein Loch mit dem Hinterrad, worin dieses komplett
verschwindet. Ein freundlicher Isländer zieht mit seinem Geländewagen die KS aus
dem kiesigen Flüsschen.
Die Wasserdurchfahrten, die im Hochland alle 10 bis 15 km vorkommen, bedeuten
für unsere Zündapps keine Schwierigkeit. Auch bei tiefstem Wasser setzt nicht
einmal die Zündung aus. Allerdings bleibe ich mitten im Fluss stehen, da ich
vergessen habe, den Benzinhahn zu öffnen. Obwohl die Zylinder bereits unter
Wasser stehen, springt der Motor an, wobei er das in den Auspuff eingedrungene
Wasser mit lautem Blubbern ausbläst.
Manche meinen der kürzeste Weg ist der Beste.
Im Vulkangebiet der Eldgja und der Hekla bleiben wir mehrere Tage, baden in heißen Quellen und Flüssen und bewundern die Vulkankrater mit Durchmessern von einigen Meter bis zu mehreren Kilometern. Nach drei Tagen Fahrt durch die schwarze Sandwüste aus Vulkanasche treffen wir bei Hella wieder auf die Ringstraße.
Das Wetter ist trocken und mit 24° C wärmer als wir erhofften.
Die Tage haben keine Nacht, so dass der abendliche Sonnenuntergang nach
Mitternacht nahtlos in den Sonnenaufgang übergeht. Oft fahren wir in den hellen
Nächten bis zum frühen Morgen durch eine von der tief stehenden Sonne in
goldenes warmes Licht getauchte, unwirklich schöne Kraterlandschaft.
Von der Ringstraße ab nach Süden an der Küste entlang besuchen wir das Kirsugebiet, wo an unzähligen Stellen Dampf aus dem Boden fährt. Einige
teichgroße Löcher, gefüllt mit stinkend heißem, blubberndem, schwefelhaltigem
Schlamm weisen auf vulkanische Aktivität hin. Der von hier weiterführende Weg
ist eine einzige Zumutung. Er lässt sich nur im Schritttempo fahren und wir
"genießen" stundenlang die Berg- und Talfahrt einer nicht endenden
Reihe von Schlaglöchern. Als Entschädigung finden wir ein im Lavafeld gelegenes, heißes,
natürliches Freibad, das mit Salzwasser gefüllt ist und den klangvollen Namen
"Blaue Lagune" trägt. Reykjavik, die Hauptstadt Islands, besuchen wir nur einen
Tag, uns zieht es weiter, vorbei an der Alt-Männer-Schlucht zum großen Geysir,
nachdem alle Springquellen benannt sind. Der große Geysir stößt nur noch selten
eine Fontäne aus. Sein kleiner Bruder Strokur, nur wenige Meter neben ihm,
schlabbert dagegen in regelmäßigen Abständen siedend heißes Wasser bis zu 25 m
empor. Vorbei am Gullfoss, einem riesigen Wasserfall, fahren wir auf der
staubigen Hochlandstraße in den Norden Richtung Akureyri.
Unsere Fahrt auf den Hochlandpisten lässt uns auch einige nachträgliche
Veränderungen der Zündapp-Werke an der KS 750 verstehen. Der hintere Auspufftopf
hatte anfangs ein hochgelegtes Auslassrohr. Dieses wurde jedoch bald nach unten
verlegt, was auch sinnvoll ist, da bei Wasserdurchfahrten der Auspuff voll
Wasser lief, aber das Wasser nicht mehr ablaufen konnte. Ebenfalls bewährt hat
sich der Wirbelluftfilter, wir ziehen jeden Abend die Staubsammelbehälter ab und
schütten eine beachtliche Menge Staub heraus. Der Seitenwagen-Radantrieb allein
ermöglicht es uns, dass wir im losen Sand und im kiesigen Grund der Flüsse nicht
stecken bleiben. Nach den Wasserdurchfahrten ist die Bremswirkung trotz
Hydraulik allerdings gleich null und wir fahren die starken Gefälle nur im
ersten Gang hinab. Ist die Bremse endlich trocken, ist bereits der nächste Fluss
in Sicht.
Die Strecke, die wir jetzt fahren, soll sehr schön sein, aber zu sehen ist nicht
viel davon. Zwei Tage fahren wir im Nebel. alles woran wir uns erinnern, sind
Temperaturen um null Grad, dauernd beschlagene Brillen, schlechte Wegstrecke und
ein plötzlich in voller Fahrt aus dem Nebel auftauchender LKW, dem wir nur
dadurch ausweichen können, dass wir die Piste verlassen und ins Gelände fahren.
Nach 200 km harter Pistenfahrt stellen wir dann unsere Schäden fest. Ein
Packtaschenhalter war unten aus dem Blech gerissen, Guidos Rückspiegel verloren
gegangen und das Unterteil von Tadeusz' Vergaser baumelte nur noch an einer
Schraube. Nach diesen Strapazen legten wir eine mehrtägige Fahrpause auf einem
Zeltplatz bei einer Schule ein. Oft werden die Schulen in den Sommermonaten als
Jugendherberge oder Zeltplatz genutzt. Hier treffen wir auch wieder mit anderen
Motorradfahrern zusammen, die zuerst die Nordroute fuhren, die Strecke, die wir
noch vor uns haben. In dem von einem heißen Bach erwärmten Freiband sitzen wir
und tauschen unsere Erfahrungen aus, wo es gute Zelt- und Einkaufsmöglichkeiten
gibt und in welchem Zustand die Pisten und Furten sind.
Akureyri ist die größte Stadt und das Handelszentrum in
Nordisland. Wir haben noch zwei Pässe vor uns, als der Motor Ks 750 von Tadeusz
laute Geräusche von sich gibt. wir halten sofort an und stellen fest, dass der
Motor sich nur bis zu einem bestimmten Punkt durchdrehen lässt und dann
blockiert. Da sich beide Kolben bewegen, schließen wir auf den typischen
Kurbelwellenschaden beim Originalmotor. Eine Nadelkäfig des Pleuels ist
gebrochen, die Nadeln haben sich quer gestellt und die Lauffläche zerstört.
Die Motoren unserer beiden anderen KS 750 laufen problemlos. Diese hatten wir
bereits vor unserer Reise mit der stärkeren Zahnradölpumpe auf gleitgelagerte
Pleuel umgebaut. Wir spannen Guidos KS vor und es gelingt uns, trotz der langen
Steigung mit losem Grund nach Einlegen des Geländegangs und Sperren des
Hinterradantriebs die defekte KS 750 über den Pass zu zerren. Die letzten 300 km
bis zum Fährhafen fährt die KS von Tadeusz auf einem isländischen LKW und er
selbst als Soziusfahrer bei uns mit. An der Fähre treffen wir viele bekannte
Gesichter wieder und stellen im Gespräch fest, dass wir mit unseren alten
Wehrmachtsgespannen vielfach besser ausgerüstet sind als manche mit ihrem
modernen Gerät. Mehrere ramponierte Geländewagen und einige Fahrzeuge mit
Motorschäden, die in zu tiefen Furten Wasser angesaugt hatten, werden aufs
Schiff geschleppt. Während uns die MS Norröna in rauer See heimbringt, sitzen
wir noch lange in der Bar und erzählen uns die Erlebnisse, die Island uns
geboten hat.
Viele von uns wollen wieder kommen und alle sind sich einig:
Island kann nicht einfach bereist, Island will erobert werden.
Zündapp KS750 und BMW R75 die schweren Wehrmachtsgespanne wurden von 1940 bis 1945 gebaut und sind heute noch ein begehrtes Sammlerobjekt.