Die Entwicklung der BMW R75 

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In vielen europäischen Armeen ging man bereits anfangs der 30er Jahre dazu über, mit Beiwagenkrädern Teile der Infanterie beweglicher zu machen. Mit Einführung der all-gemeinen Wehrpflicht wurde 1935 eine Kradschützentruppe aufgestellt. Ihre Aufgabe sollte darin bestehen, mit jedem Beiwagenkrad drei vollausgerüstete Soldaten in kürzester Zeit in vorderster Front in Stellung zu bringen.

 Die bis in die ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges für das Militär verfügbaren Motorräder und  Beiwagenkräder waren Konstruktionen für den zivilen Straßenverkehr, die militärgrau lackiert und militärisch ausgerüstet wurden. Bedingt durch die große Typenvielfalt fielen viele Fahrzeuge mangels ausreichender Ersatzteilversorgung nach kurzer Einsatzzeit aus. Ein Einsatz abseits befestigter Wege unter erschwerten geographischen und klimatischen Ver-hältnissen war nur sehr beschränkt möglich. 

Bereits im November 1937 fanden beim OKH (Oberkommando Heer) Besprechungen mit der Industrie (BMW und Zündapp) zum Thema 

´ Schweres geländegängiges Motorrad mit Seitenwagen im Heeresbetrieb´  

  Folgende Bedingungen für das neu zu konstruierende Krad mit Seitenwagen wurden dabei festgeschrieben: 

1. Die Bereifung des Volkswagens (Reifendimension  4,50 x 16) sollte Verwendung finden .
2. Die Schutzbleche müssen so dimensioniert werden, daß auf Vorder- und Hinterrad Gleit-schutzketten aufgelegt werden können.
3. Der Tankinhalt ist für eine Fahrstrecke von 350 km auszulegen.
4. Die Höchstgeschwindigkeit bei voller Belastung wird mit 95 km/h, die Dauer-geschwindigkeit auf Autobahnen mit 80 km/h  festgelegt.
5. Eine Bodenfreiheit von mindestens 150 mm ist einzuhalten.
6. Das Gespann muß mit 500 kg Zuladung belastbar sein, von denen 250 kg (Fahrer mit Beifahrer und Packtaschen) für das Krad und die restlichen 250 kg für den Beiwagen berechnet waren.
 Als im Jahre 1939 die Deutsche Heeresverwaltung die Entwicklung eines schweren gelände-gängigen Gespannes fordert, kann BMW schon mit praktischen Vorschlägen aufwarten. Ein bereits 1934 anläßlich einer Winterfahrt eingesetztes Gespann mit angetriebenem Seiten-wagenrad rief in Fachkreisen große Beachtung hervor. Jahrelange Vorarbeiten haben dieses Antriebssystem ´fahrreif´ gemacht.

 


Deshalb gehört dieses Antriebssystem für BMW zum absoluten Muß. Desweiteren soll die einige Jahre vorher entwickelte Teleskopgabel verwendet werden. Der Vorteil gegenüber der Vorderrad-Blattfederung ist ein sehr schnelles und weiches Ansprechen im Gelände. Als Rahmen soll ein zerlegbares Rohrgestell zum Einsatz kommen. Im Frühjahr 1941 kommt ein kraftvoll aussehendes ´Arbeitspferd´ an die Front. Dieses ver-fügt neben leichtester Lenkfähigkeit über alle bekannt guten BMW-Fahreigenschaften. Infolge der völligen Kapselung aller beweglichen Teile, einschließlich Teleskopgabel und Kardan-wellenantriebes, bleibt die Maschine unter allen Fahrbedingungen unempfindlich und von größter Zuverlässigkeit. Selbst stundenlanges Kolonnenfahren im Schrittempo, Wasserdurch-fahrten, das Befahren von Steilhängen oder auch Schnellfahrten auf der Autobahn haben keinen Einfluß auf die Betriebssicherheit. 

Auf den ersten Blick stechen technische Besonderheiten hervor, die bei der Konstruktion im Hinblick auf den Einsatz beim Heeres-, Kolonial- und Behördendienst sowie der Forst-wirtschaft verwirklicht wurden.

Der Motor

Als Kraftquelle dient ein obengesteuerter Zweizylinder-Boxermotor mit 750 ccm Hubraum. Die Ventilsteuerung, die Nockenwelle und der halbkugelförmige Brennraum wurden nicht auf Spitzenleistung, sondern auf hohe Dauerleistung (26 PS bei 4400 U/min) ausgelegt. Das maximale Drehmoment von 5 mkg wird bei 3600 U/min erreicht. Der Zylinderkopf aus Aluminium ist stark und großflächig verrippt, sodaß die Kühlwirkung selbst bei Marsch-geschwindigkeit in großer Hitze ausreichend ist. Alle Lager sind als Wälzlager ausgelegt. Vorteil: kleiner Reibungwiderstand bei erhöhter Lebensdauer. Der Antrieb der Nockenwelle und der Ölpumpe erfolgt über Zahnräder von der Kurbelwelle. Die Kupplung ist eine Einscheiben-Trockenkupplung, die in ihren Abmessungen der eines mittelstarken Kraft-wagens entspricht. Die beiden Vergaser Typ Graetzin 24/1 und 24/2 haben einen gemeinsamen Ölbadluftfilter auf dem Getriebegehäuse. Damit ein Batteriedefekt das Krad nicht lahmlegen konnte, wurde ein Zündmagnet eingebaut. Als Zündmagneten kamen wahl-weise der Noris Typ ZG 2 a oder der Bosch FJ 2R 134 zum Einsatz.

Das Getriebe

Das Zahnradgetriebe hat vier Straßengänge und einen Rückwärtsgang. Beim Fahren in schwerem Gelände können die ersten drei Straßengänge durch ein Vorgelege untersetzt werden. Wird versucht, den vierten Geländegang einzulegen, rückt ein Mitnehmer am Gang-hebel den Vorgelegehebel in eine Neutralstellung. Der Kraftfluß vom Getriebe zum Achs-antrieb ist dann unterbrochen. Die Straßengänge werden mit dem Fuß oder der Hand geschaltet. Bei Betätigung mit dem Fuß dient der Handschalthebel gleichzeitig als Gang-anzeige. Rückwärtsgang und Vorgelege können nur von Hand geschaltet werden. Um harte Schläge vom Getriebe zum Achsantrieb bei Lastwechselreaktionen zu mindern, wurde am Getriebeausgang ein Kreuzgelenk mit Gummipuffern eingebaut. 

Der Hinterrad - Seitenwagenantrieb
 

Beide Räder werden über ein kraftverteilendes ( 70 % Hinterrad, 30 % Seitenwagenrad ) und sperrbares  Ausgleichsgetriebe  angetrieben

Die Bremsen

Erstmalig kommen an den schweren Gespannen mit Seitenwagen hydraulische Bremsen zum Einsatz (Seitenwagen-Hinterrad). Das Vorderrad hat eine mechanische Innenbackenbremse, die mit einem Handhebel über Seilzug betätigt wird. Der Bremstrommeldurchmesser entspricht mit 250 mm denen eines mittelgroßen Personenwagens. Wird der Seitenwagen abgebaut, schließt ein Doppelventil selbsttätig die Bremsleitungen. 

Das Fahrgestell  

Das Fahrgestell ist eine leicht zerlegbare, in sich geschlossene Fachwerkskonstruktion von besonderer Stabilität. Bei auftretenden Schäden muß nicht mehr der ganze Rahmen getauscht werden, es können Einzelteile ersetzt werden. Eine motorisierte Einheit mit 10 bis 12 Krädern brauchte für Ersatzzwecke nur drei Rahmen. Es war unwahrscheinlich, daß bei allen Krädern das gleiche Rahmenteil defekt wurde.Die Teleskopgabel entsprach der bewährten Ausführung der Solokräder, sie wurde nur der höheren Belastung entsprechend (hohes Leergewicht des Krades und Geländebetrieb) stärker ausgeführt. Durch Verwendung doppeltwirkender Öldruckstoßdämpfer hat diese Gabel ein sehr weiches Ansprechverhalten. Sie wurde nur mit normalem Motoröl befüllt, was die Versorgung an der Front wesentlich vereinfachte. 

Der Seitenwagen  

Kräftige, zu einem Rechteck verschweißte Rohre bilden den Seitenwagenrahmen. Das Seiten-wagenrad ist an einem Schwingarm aufgehängt, in dem sich der Antrieb befindet. Die Federung erfolgt durch eine Rohrfeder, die sich zusammen mit der Antriebswelle im hinteren Seitenwagenrahmen-Querrohr befindet. Das Seitenwagenboot hängt hinten in zwei Blatt-federn und ist vorne in Gummi gelagert.

Der Tank

Bei den frühen Ausführungen hat der Tank obenauf ein Werkzeugfach. Sein Fassungs-vermögen beträgt 24 l , davon sind 3 l Reserve. Der Verbrauch auf der Straße liegt zwischen 6 und 7 l/100 km. Im Gelände können bis zu 10 l/100 km verbraucht werden. Dies sind Erfahrungswerte von heute. 

Die Laufräder

Die untereinander austauschbaren Räder haben eine Tiefbettfelge und Dickendspeichen. Die Lebensdauer der Reifen 4,50 x 16 ist gegenüber den üblichen Reifengrößen 3 – 5 mal länger, da die spezifische Belastung trotz hoher Nutzlast geringer und die Antriebsreibung auf zwei Reifen verteilt ist. 

 

Daten und Fakten der BMW R75

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